Mit einem Beschluss vom 01.12.2014 (Az.: 9 T 163/14) (= http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/wuppertal/lg_wuppertal/j2014/9_T_163_14_Beschluss_20141201.html) hat das LG Wuppertal eine verfahrensrechtlich zumindest diskussionswürdige Entscheidung getroffen. Ein Stromversorgungsunternehmen beantragte per einstweiliger Verfügung die Unterbrechung der Stromversorgung eines Kunden wegen Zahlungsrückständen. Der Antrag wurde vom Landgericht als unzulässig abgewiesen, da der Streitwert 600,00 Euro nicht übersteige. Der Streitwert für die Klage eines Versorgers auf Gewährung des Zutritts und Duldung der Sperrung des Stromzählers bemisst sich regelmäßig nach dem Sechsfachen der monatlichen Abschlagszahlungen, wobei aufgelaufene Zahlungsrückstände außer Betracht bleiben. Die sechsfache Summe der Abschläge waren vorliegend 1362,00 Euro.
Doch das Landgericht nahm aufgrund der beantragten einstweiligen Verfügung einen Abschlag in Höhe von einem Drittel an dieser Summe vor und stellte sich insoweit gegen die Rechtsprechung des OLG Saarbrücken (Az.: 4 W 112/11), das bei Leistungsverfügungen den vollen Hauptsachestreitwert annimmt. Das Landgericht Wuppertal begründet dies damit, dass vorliegend eine Stromunterbrechung und nicht eine dauerhafte Stromsperre gefordert worden sei, um dann hinzuzufügen, dass im Falle der Forderung der Stromsperre zwar der Streitwert wohl erreicht worden sei, aber dann eine Vorwegnahme der Hauptsache anzunehmen sei, so dass auch dieser Antrag nicht hätte erfolgreich durchgesetzt werden können.
Damit nicht genug:
„Die Beschwerde ist auch nicht deswegen zulässig, weil sie laut der Rechtsbehelfsbelehrung des Amtsgerichts statthaft sei. Denn in der formularmäßigen Rechtsbehelfsbelehrung kann keine Zulassung der Beschwerde gesehen werden. Hierzu hatte das Amtsgericht auch gar keinen Anlass, da es ja den Verfahrenswert abweichend auf 1.362,- Euro festgesetzt hat.“
Und dann setzt das Landgericht den Schlusspunkt:
„Hätte das Amtsgericht den Verfahrenswert zutreffenderweise auf bis zu 600,- Euro festgesetzt, so hätte es über die Zulassung des Rechtsmittels befinden müssen (§ 511 Abs. 4 ZPO analog). Diese Entscheidung ist von der Kammer nachzuholen. Die Beschwerde war jedoch nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Eine Verkürzung des Rechtsweges ist hierin nicht zu sehen. Die Abhängigkeit eines Rechtsmittels von einem bestimmten Beschwerdewert ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.“
Dass hierin eine Verkürzung des Rechtsweges nicht zu sehen sei, wäre vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG ebenso zu begründen gewesen wie die Feststellung, dass die Kammer die Entscheidung des Amtsgerichts nachholen können darf.
Bei konsequenter Anwendung der Linie der Entscheidung des LG Wuppertal dürfte in einer Vielzahl von Fällen eine Stromunterbrechung gar nicht mehr gerichtlich durchsetzbar sein, da die aufgrund der Schnelligkeit des Verfahrens hierzu alleine geeignete einstweilige Verfügung nach Ansicht des Landgerichts gar nicht statthaft ist. Ein effektiver Rechtsschutz ist dann aber gar nicht mehr gewährleistet, sondern setzt dann erst ab relativ hohen monatlichen Abschlagsbeträgen (wieder) ein. Ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist, ist äußerst fraglich. Fazit: es wäre nicht verwunderlich, wenn das Bundesverfassungsgericht mit diesem Fall befasst werden sollte.