Das Amtsgericht Kassel entschied mit Urteil vom 07.05.2013, Az.: 435 C 584/13, dass einem Fahrzeughalter kein Löschungsanspruch bzw. Unterlassungsanspruch hinsichtlich von im Informationssystem der Versicherungen gespeicherten Daten zu Verkehrsunfällen zusteht.
Es fehle bereits an der Speicherung personenbezogener Daten, da vorliegend nur das Kfz-Kennzeichen und die Fahrzeugidentifikationsnummer gespeichert worden seien. Dies seien keine personenbezogenen Angaben. Zwar liege die Bestimmbarkeit einer Person auch dann vor, wenn die speichernde Stelle mittels der bei ihr vorhandenen Kenntnisse, Mittel, Möglichkeiten und verfügbaren Hilfsmitteln ohne unverhältnismäßigen Aufwand den Bezug zur gesuchten Person herstellen könne, ein solcher geringer Aufwand liege aber nicht vor, wenn die Daten zum Halter zuerst über das Kraftfahrtbundesamt oder die örtliche Kfz-Zulassungsstelle erfragt werden müssten.
Die überwiegende Rechtsprechung hat dies zumindest bezüglich IP-Adressen anders gesehen und dort die bloße „Personenbeziehbarkeit“ ausreichen lassen. Über den ggf. erforderlichen „geringen Aufwand“ hätte man bei IP-Adressen ebenfalls trefflich streiten können.
Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folge, finde sich in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG eine hinreichende Grundlage für die Speicherung der konkreten Fahrzeugdaten. Danach ist die Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung dann zulässig, wenn kein Grund zur Annahme schutzwürdige Interesse des Betroffenen am Ausschluss von Erhebung und Speicherung vorliegt. Dies sei vorliegend der Fall.
Das Gericht sagt hierzu:
„Denn das System dient dem Interesse der Versichertengemeinschaft. Mithilfe der solchermaßen gespeicherten Daten können nämlich Fälle leichter bearbeitet werden, in denen eine unberechtigte Inanspruchnahme von Kfz-Haftpflicht- bzw. -Kaskoversicherungen in Frage steht, nachdem ein Schadensfall lediglich fiktiv, d.h. ohne Vorlage einer konkreten Reparaturkostenrechnung reguliert worden ist. Dabei kommt es nicht auf die Person des Halters am, sondern auf das Fahrzeug an sich, um ermitteln zu können, ob dieses bereits einmal einem vergleichbaren Schaden zuvor erlitten hat. Ein schutzwürdiges Interesse des betroffenen Fahrzeughalters vermag das Gericht indessen nicht zu erkennen. Denn es fehlt an den hierfür erforderlichen konkreten Anhaltspunkten, die Grund zur Annahme dafür liefern, dass die Speicherung der Daten den Rechtskreis der betroffenen Person, hier des Klägers, beeinträchtigen könnte (vgl. Gola/Schomerus, § 29 BDSG Rdnr. 10, 12).“
Das Gericht geht auch auf Einwände in der Literatur hinsichtlich der Speicherung der Daten durch Versicherungen ein:
„Der in der Literatur geäußerten Auffassung, mit Hilfe eines solchen Systems könne das Datenschutzrecht ausgehebelt und faktisch eine ‚schwarze Liste‘ für unerwünschte Risiken in der Versicherung geschaffen werden (so z.B. Riemer, ZRP 2009, S. 111), vermag das erkennende Gericht nicht zu folgen. Denn im Falle einer Neuversicherung des Betroffenenfahrzeuges könnte selbst dann, wenn entgegen den vorgelegten Statuten des … ein Versicherungsunternehmen bei der Risikoprüfung den Datensatz abrufen würde, daraus kein Erkenntnis gewonnen werden, das Auswirkungen auf die Beurteilung des Risikos hätte. Denn der Fahrzeughalter ist nicht als Schadensverursacher registriert. Im konkreten Fall ist dies nämlich der Unfallgegner des Klägers. Bei der genannten Auffassung dürfte es sich deswegen um eine rein spekulative Vermutungen handeln.“
Die Entscheidung des Amtsgerichts Kassel birgt einigen Sprengstoff. Die Entscheidung stellt nämlich alleine auf die im entschiedenen Fall betroffenen Daten ab. Die Kritik der Literatur beschäftigt sich hingegen nicht so sehr mit einzelnen Daten, sondern sieht die Gesamtheit der von den Versicherungen erhobenen und gespeicherten Daten, die durchaus zu einem System der Risikominimierung für die Versicherungen führen können.
Im Kommentar von Gola/Schomerus (BDSG Kommentar, 11. Auflage, § 29 Rdnr. 7) ist das Funktionieren des Informationssystems HIS näher beschrieben. Dort ist formuliert:
“…Hierbei leiten die einzelnen Versicherungen die Daten derjenigen Personen, die als besonderes Risiko erkannt wurden oder in dubiose Versicherungsfälle verwickelt waren, an das Hinweissystem weiter. Als ‚dubios‘ werden ggf. auch Fälle behandelt, in denen der Versicherte häufig ‚auffällig‘ geworden ist.“
Ob die Kritik der Literatur angesichts dessen als „rein spekulative Vermutung“ bezeichnet werden kann, erscheint fraglich.